Claudia Mohn: Zur Situation der Bauforschung in der Landesdenkmalpflege
„Umsichtige Denkmalpflege bündelt zur Bewältigung ihrer Aufgaben die Ergebnisse vieler Wissenschaften“, um, so schreibt es Georg Mörsch 1987, die „Erhaltung [von Geschichtszeugen] in vernünftigen Konzepten zu planen und durchzuführen und das Verhältnis der Öffentlichkeit zu ihren Denkmälern fruchtbar zu gestalten.“[2] Dem einzelnen Denkmalpfleger obliegt dabei die Entscheidung, abzuwägen, welche der Wissenschaften beziehungsweise anderen Fachdisziplinen für die Erhaltung des jeweiligen Objektes herangezogen werden sollte. Georg Mörsch warnt in dem oben zitierten Aufsatz auch vor Gefahren, „die aus einem Übergewicht wissenschaftlichen Ehrgeizes bei denkmalpflegerischen Arbeiten auftreten können“, nämlich dem „unzulässigen Herausholen von Fakten aus dem Objekt“ oder dem „einseitigen Hereinlegen wissenschaftlicher Erkenntnisse“.[3] Mit ersterem meint er vor allem die Gefahr der Zerstörungen von Schichten, um an frühere, tiefere Zeitebenen zu gelangen, mit letzterem die Herausforderung, die gewonnenen Einzelerkenntnisse der Gesamtwirkung des Monumentes unterzuordnen.Die Entscheidung darüber, in welcher Form andere Wissenschaften bzw. Fachdisziplinen am jeweiligen Denkmal heranzuziehen sind, aber auch in welcher Intensität diese tätig werden, ist kaum noch von einem einzelnen Denkmalpfleger verantwortungsvoll zu übernehmen, der ja nur jeweils einer Wissenschaftsdisziplin angehört. Um dem Rechnung zu tragen, gibt es in den Denkmalfachbehörden unterschiedlichste Fachleute, die mit ihren Spezialisierungen eben diese Entscheidungen in Absprache mit dem jeweils für das Einzelobjekt zuständigen Gebietsreferenten treffen sollten. Neben der Bauforschung, um die es im Folgenden geht, sind es verschiedene Disziplinen der Restaurierung, Zweige der Naturwissenschaften, der Garten- und Technikgeschichte oder der Städtebaulichen Denkmalpflege.
Zur Struktur der Landesdenkmalpflege
Derzeit gibt es in der Bundesrepublik Deutschland 18 Landesdenkmalämter, also Denkmalfachbehörden, einschließlich dem eigenen Landesamt der Hansestadt Lübeck und der zwei Landesämter in Nordrhein-Westfalen mit den Landesteilen Rheinland und Westfalen-Lippe. Zusätzlich bestehen in einigen Bundesländern eigene Fachämter für archäologische Denkmalpflege, die jedoch in der folgenden Übersicht außen vor bleiben. In Hamburg, Bremen (innerhalb des Stadtgebietes), Lübeck und im Saarland nehmen die Landesdenkmalämter gleichzeitig auch die Aufgaben als untere Denkmalschutzbehörden wahr. Alle 18 Landesämter sind unterschiedlich strukturiert und organisiert und zudem als Landesbehörden in regelmäßig wiederkehrenden Abständen aktuellen politischen Bestrebungen nach Struktur- oder Verwaltungsreformen unterworfen.Diese Landesämter sind seit 1951 bzw. nach 1989 in der Vereinigung der Landesdenkmalpfleger in der Bundesrepublik Deutschland (VdL) zusammengeschlossen. Unter dem Dach der Kultusministerkonferenz gegründet, ist die Vereinigung für Themen von länderübergreifender Bedeutung zuständig. Innerhalb der VdL gibt es verschiedene Arbeitsgruppen entsprechend den eingangs angesprochenen Spezialisierungen, die eine bundesweite fachliche Abstimmung anstreben – eine Aufgabe, die sich schon auf Länderebene innerhalb der Ämter äußerst schwierig gestalten kann.
Zu diesen Arbeitsgruppen zählt auch eine AG Bauforschung, der aus jedem Landesamt ein Vertreter angehören sollte und die sich halbjährlich an jeweils wechselnden Orten trifft. Neben dem fachlichen Austausch untereinander besteht die Aufgabe dieser Gruppe darin, Handreichungen zu aktuell anstehenden Fragestellungen als bundesweiten Standard zu entwickeln. In den letzten Jahren sind Arbeitsblätter unter anderem zu folgenden Themen entstanden: „Mindestanforderungen für dendrochronologische Untersuchungen“, Empfehlungen zum Umgang mit digitalen Baudokumentationen für eine Langzeitarchivierung“, „Anforderungen an die Dokumentation von Denkmalen vor Abbruch“.[4] Bei diesen Treffen werden die aktuell schwierigen Bedingungen für die Arbeit der Bauforschung in der staatlichen Denkmalpflege deutlich, die mit den heterogenen Organisationsstrukturen innerhalb der einzelnen Landesämter und vor allen der personellen und finanziellen Ausstattung zusammenhängen.
Zur Personalsituation
Aktuell arbeiten hauptberuflich 13 Bauforscher, zusätzlich drei Vermessungsingenieure und circa sechs Bautechniker beziehungsweise Bauzeichner in insgesamt sieben Landesdenkmalämtern in den Bereichen Bauforschung/Baudokumentation. Anders formuliert sind nur knapp 40 Prozent, also nicht einmal die Hälfte der Denkmalfachbehörden in der Bundesrepublik mit einem oder mehreren „Vollzeit-Bauforschern“ ausgestattet. Hinzu kommen noch „Teilzeit-Bauforscher“ in drei Bundesländern und „Freizeit-Bauforscher“ in ebenfalls ungefähr drei Bundesländern.[5] Mit dieser Bezeichnung ist nicht deren fachliche Qualifikation, sondern deren Aufgabenumfang gemeint, da sie Aufgaben der Bauforschung nur als Teilaufgabe innerhalb ihrer Gesamttätigkeit beziehungsweise nur noch aus Eigenengagement zusätzlich zu einer Stelle mit 100 Prozent anderer Aufgabenbeschreibung, wie Gebietsreferententätigkeit, Inventarisation oder Restaurierung wahrnehmen können. Rechnet man diese Referenten noch wohlwollend hinzu, ist in etwa der Hälfte der Denkmalfachbehörden Bauforschung zumindest als fachliche Kompetenz vertreten. Auch bei einigen der sieben Ämter mit Vollzeitbauforschern gibt es aktuell Überlegungen zum teilweisen oder vollständigen Abbau der Bauforscher-Stellen durch altersbedingte Stellenaufgabe beziehungsweise durch Aufgabenverlagerung.Ein Rückblick: In Bayern besteht seit 1938 eine Institutionalisierung der historischen Bauforschung, anfangs um „Grabungen bei baugeschichtlich bedeutsamen Denkmälern vorzunehmen“[6], ab 1952 als eigenes Referat mit der Bezeichnung Bauforschung; das mit einigen Unterbrechungen und Umstrukturierungen bis heute Bestand hat.[7] Im Rheinland entstand ein eigenes Referat Bauforschung 1961 als Bestandteil des Amtes des Landeskonservators, gleichzeitig wurde jedoch die bis dahin gemeinsame Zusammenarbeit mit der Mittelalterarchäologie im Rahmen der Kunstdenkmäleraufnahme institutionell getrennt.[8] Auch in anderen Bundesländern ist die Bauforschung als eigenständiger Bereich aus der Mittelalterarchäologie erwachsen. Oft gab es anfangs befristete Stellen für Untersuchungen an bestimmten Monumentalobjekten beziehungsweise wurden Bauuntersuchungen von entsprechend interessierten Denkmalpflegern übernommen ohne explizite Aufgabenzuweisung, so unter anderem in Sachsen-Anhalt, Thüringen und Baden-Württemberg.
Mit den Gründungen der Landesdenkmalämter in den östlichen Bundesländern um 1990 wurden neue Bauforscherstellen geschaffen. So entstanden Anfang der 1990er Jahre in Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Berlin teilweise pro Amt bis zu drei neuen Stellen für Bauforschung; in Thüringen kam die Einrichtung einer eigene Stelle für Bauforschung etwas verzögert 2001.
In dieser Phase zwischen 1990 und etwa 2005 lässt sich rückblickend zumindest quantitativ eine recht gute Ausstattung der Landesämter mit Bauforscherstellen konstatieren. Es gab rund zehn Stellen mehr, also fast doppelt so viele Stellen wie heute, die sich nicht wie derzeit auf sieben sondern auf 14 Ämter verteilten. 80 Prozent der Landesdenkmalämter waren in dieser Zeit mit eigenen Stellen für Bauforschung ausgestattet.
Die Änderung dieser Situation in den letzen zehn Jahren ist auch insofern äußerst dramatisch, als dass es sich nicht nur um Stelleneinsparungen durch altersbedingte Abgänge handelt. In mehreren Fällen wurden diese Spezialisten in die praktische Denkmalpflege bzw. die Inventarisation umgesetzt, um eine flächendeckende Gebietsbetreuung zu sichern. Diese Tendenz stellt nicht nur für die Bauforschung ein Dilemma dar, sondern für alle Spezialisten in den Landesdenkmalämtern. Es hat den Anschein, dass die Bauforschung mit am Stärksten betroffen ist.
Diese angestrebte flächendeckende Betreuung der Gebiete ist ohnehin in den meisten Ländern aufgrund der immer weiter schrumpfenden Personaldecke kaum mehr oder nur noch unter äußerst hohem persönlichem Einsatz qualitativ hochwertig möglich. Der Abbau bzw. Umbau der Spezialistenstellen bringt die Landesdenkmalämter jedoch noch zusätzlich weg von ihrer eigentlichen Position als Kompetenzzentrum für alle relevanten fachlichen Fragen der praktischen Denkmalpflege, innerhalb der im Vollzug der Denkmalschutzgesetze eingebundenen Denkmalbehörden. Damit trennen sich die Denkmalfachbehörden – und das ist eine wesentliche Gefahr – immer weniger von den Aufgabenfeldern, die die unteren Denkmalschutzbehörden wahrnehmen. Das klar getrennte Zweierlei der Aufgaben von Denkmalpflege und Denkmalschutz, nämlich die wissenschaftliche Werterkundung und -ermittlung der Denkmale auf der einen und die schutzrechtliche Abwägung auf der anderen Seite, wird mit Wegfall dieser Fachkompetenzen immer weiter aufgegeben. August Gebeßler schreibt dazu: „Und schlussendlich kann nur eine Denkmalpflege, die aus der Erfahrungsgemeinschaft eines Amtes heraus Sicherheit im fachlichen Denkmaldenken gewonnen hat, auch vorbehaltlos offen sein für das wichtigste in der Denkmalarbeit: für die aufklärende Begegnung mit dem Denkmaleigentümer und mit dem öffentlichen Denkmalverständnis.“[9] Diese Sicherheit im fachlichern Denkmaldenken geht mit dem Aufgeben der Spezialistenstellen weiter verloren. Damit einher wächst die Gefahr weiterer Strukturbemühungen hin zu einem institutionellen Verbinden von Denkmalschutz und Denkmalpflege. Die Tendenzen in einigen Bundesländern sind bekannt.
Zu den Aufgaben
In keinem Denkmalschutzgesetz der Länder wird explizit die Bauforschung genannt, aber die „wissenschaftliche Erforschung der Denkmäler“ meist in Obersätzen als Aufgabe den Landesdenkmalämtern zugewiesen. In wenigen Kommentaren zu den Denkmalschutzgesetzen wird direkt auf die Bauforschung verwiesen, sehr umfassend und in beeindruckender Klarheit und wohl einzigartig in der Neuauflage des Kommentars zum Denkmalschutzgesetz Nordrhein-Westfalen: „Eine weitere wissenschaftliche Aufgabe der Denkmalpflegeämter ist die Bauforschung am konkreten Objekt mit dem Ziel, dessen Zustand vor, während und nach der Instandsetzung zu dokumentieren. Die Aufgabe der Bauforschung ist es also, die Grundlagen für denkmalpflegerische Entscheidungen im Erlaubnisverfahren zu erarbeiten […]. Zugleich tragen die Ergebnisse auch zur Präzisierung der Denkmalbewertung bei […].“ Des Weiteren wird dort beschrieben, welche Bestandteile ein Bauforschungsauftrag haben sollte und wie die Bauforschung im rheinischen Amt organisiert ist.[10] Im Kommentar zum bayerischen Denkmalschutzgesetz heißt es zur Erforschung der Denkmäler „Dazu gehört z. B. […] die Erforschung der Entstehungs- und Baugeschichte einschließlich aller Veränderungen (Aufgabe der Bauforschung)“.[11] Die Kommentatoren des brandenburgischen Denkmalschutzgesetzes sehen als „Träger der Forschung im Bereich der Denkmale […] nicht nur das Land, seine Denkmalfachbehörden und von diesen eingebundene Institutionen und Personen (z.B. Bauforscher, Grabungsfirmen) […] darüber hinaus auch Hochschulen“[12] und weisen damit dem Landesamt indirekt auch die Aufgabe zu, mit den Hochschulen entsprechend zu kooperieren. Dem Kommentar zum baden-württembergischen Denkmalschutzgesetz ist eine Einführung vorangestellt, in der die Bauforschung als Instrument der Grundlagenermittlung vorgestellt wird, das „im Land flächendeckend installiert“ sei.[13]Die Unterstützung der praktischen Denkmalpfleger in baugeschichtlichen Fragen und den Methoden der bauhistorischen Dokumentation bildet einen Schwerpunkt der Arbeit der Bauforscher in den Landesämtern. Bauforschung erfolgt in der Denkmalpflege anlassbezogen als „angewandte Bauforschung“ wie es G. Mader benannte[14]: zur Ermittlung der Denkmalbedeutung im Rahmen der Inventarisation; bei geplanten oder oftmals leider schon begonnenen Umbau- beziehungsweise Instandsetzungsmaßnahmen oder als letzte Chance einen Baubestand zu dokumentieren bei Abbruchanträgen.
An erster Stelle der Aufgaben steht die Überzeugungsarbeit, die Bauforschung ins Bewusstsein aller an der Denkmalpflege Beteiligten zu rücken und immer wieder klar zu machen, warum und in welcher Qualität Bauforschung benötigt wird. Diese Arbeit beginnt nach wie vor und vor allem in den Landesämtern selbst, so, wie es G. Mader zur Genüge schon vor 30 Jahren beschrieben hat.[15] Ein qualifiziertes, das heißt auch der jeweiligen Fragestellung angepasstes bauhistorisches Gutachten bietet Ergebnisse, auf deren Grundlagen die Denkmalbedeutung genauer gefasst und die Denkmaleigenschaften materiell lokalisierbar sind, so dass sich Umbaupläne, statische Konzepte und Ähnliches möglichst denkmalverträglich daran orientieren können. Am Ende steht im Idealfall eine von allen Beteiligten betriebene intensive und konstruktive Auseinandersetzung mit den überkommenen Denkmalwerten des Gebäudes und den angestrebten Veränderungen – ohne Zweifel aber auch verbunden mit einem höherem Zeitaufwand für den Gebietsreferenten. Dies scheint tatsächlich auch eines der Gründe zu sein, weswegen Bauforschung oft nicht beauftragt, beziehungsweise die Bauforscher in den Ämtern nicht beteiligt werden. Es „kostet“ Zeit, sich tiefgreifender mit den Objekten auseinanderzusetzen und diese kommt den Gebietsreferenten immer mehr abhanden.
Die Bauforscher in den Ämtern können nur einen kleinen Teil der notwendigen bauhistorischen Dokumentationen selbst anfertigen: an den kleinen gefährdeten Objekten, bei denen eine Beauftragung aus zeitlichen oder finanziellen Gründen kaum möglich ist, oder auch an großen Objekten, bei denen eine Öffentlichkeitswirksamkeit zu erzielen ist, die der Arbeit des Landesamtes zu gute kommt.
Einen anderen Arbeitsschwerpunkt nimmt die Organisation und Unterstützung der Arbeit der freiberuflichen Bauforscher ein, vor allem in jenen Bundesländern, die entsprechende Etats für Baudokumentation zur Verfügung haben: Klar umrissene, dem Objekt angepasste Aufgabenbeschreibungen zu formulieren, die Ergebnisse zu diskutieren und sich mit den freien Bauforschern auszutauschen und von und mit ihnen zu lernen. Aktuell verfügen jedoch nur zwei Bundesländer über einen eigenen Dokumentationsetat in einer Höhe, der es erlaubt, kontinuierlich Aufträge an freiberufliche Bauforscher zu vergeben. In sieben weiteren Bundesländern sind zumindest kleinere Beauftragungen möglich. In den übrigen neun Bundesländern, also der Hälfte der Landesämter kann Bauforschung nur durch Beauflagung der Eigentümer, durch Denkmalförderprogramme beziehungsweise Zuschussmittel finanziert werden. Oft ist es jedoch leichter, den Bauherren zur Mitfinanzierung einer bauhistorischen Untersuchung zu überzeugen, wenn die Landesämter zumindest mit einer kleinen eigenen finanziellen Leistung auch selbst einstehen können.
Zur Situation der freiberuflichen Bauforscher
In der Bundesrepublik gibt es circa 100-140 freiberufliche Bauforscher beziehungsweise Büros, die unter anderem oder vor allem für die Landesdenkmalpflege arbeiten.[16] Die Verlässlichkeit dieser Zahlen ist vermutlich nicht sonderlich hoch. Für viele vor allem junge Absolventen stellt die Freiberuflichkeit nur eine Notlösung auf dem schwierigen Weg hin zu einer erstrebten Anstellung dar und oft genug lässt sich eine auskömmliche Existenz damit nicht aufbauen, so dass die Fluktuation hoch ist. Für die Bauforscher in den Ämtern wiederum bedeutet der schnelle Wechsel von Büros eine geringere Verlässlichkeit und ein Mehraufwand an Einarbeitung und zum Teil mangelnde Qualität der Ergebnisse.[17]In den Bundesländern, in denen es in der Landesdenkmalpflege noch Planstellen für die Bauforschung gibt, ist auch überwiegend eine größere Gruppe von freiberuflichen Bauforschern zu beobachten, die zudem langjährig tätig sind und über entsprechende Erfahrungen verfügen. Umgekehrt bedeutet dies, jede aufgegebene Stelle eines Bauforschers in einem Landesamt hat mittelfristig auch Auswirkungen auf die Situation der freien Bauforscher. Wobei neben der Existenz einer Bauforscherstelle auch deren finanzielle Ausstattung wesentlich ist, wie oben beschrieben wurde. Den ohnehin wenigen freien Bauforschern fehlt eine wie auch immer geartete Form des Zusammenschlusses als eigenständige Berufsgruppe, sowohl für einen fachlichen und organisatorischen Erfahrungsaustausch vor allem aber für eine Sicherung des qualitativen und damit auch finanziellen Standards ihrer Arbeit.
Lediglich in Baden-Württemberg gibt es – scheinbar ein Einzelfall – einen durch die freiberuflichen Bauforscher selbst organisierten fachlichen Austausch untereinander, zusammengebunden als Südwestdeutsche Regionalgruppe des Arbeitskreises für Hausforschung (AHF). Diese Regionalgruppen des AHF existieren zwar auch in andere Bundesländern, sind dort aber nicht als ausschließlicher Zusammenschluss der freien Bauforscher organisiert, sondern als Arbeitsgruppen aller an der Hausforschung Interessierten. Von diesen Treffen profitiert auch die Zusammenarbeit mit dem Landesdenkmalamt, indem nicht nur ein regelmäßiger Erfahrungsaustausch stattfindet, sondern auch gemeinschaftlich eine Buchreihe und eine Datenbank zur Bauforschung herausgegeben beziehungsweise betrieben werden.[18] Diese Projekte gehen wesentlich auf das Engagement der freiberuflichen Bauforscher zurück.
Die Rolle der freiberuflichen Bauforscher als Partner der staatlichen Denkmalpflege kann nicht hoch genug bewertet werden: Durch ihre Präsenz vor Ort und ihre Position als unabhängige Gutachter können sie eine Vermittlungsarbeit den Eigentümern oder Nutzern gegenüber leisten, zu der kaum einer der Berufsdenkmalpfleger oder -bauforscher in der Lage ist. Um diese Aufgabe verantwortungsvoll wahrnehmen zu können, braucht es aber viel Erfahrung, Fingerspitzengefühl und Vertrauen, um alle beteiligten Seiten in Einklang zu halten. Die kann nur durch eine beständige langjährige Zusammenarbeit aufgebaut werden.
Zur Zusammenarbeit mit den Hochschulen
Es gibt sie, die guten Beispiele der Zusammenarbeit von Hochschulen und Denkmalämtern – in Form von gemeinsamen Lehrveranstaltungen, Kooperationsverträgen bei Forschungsprojekten und gemeinschaftlichem Erfahrungsaustausch. Aber es gibt sie scheinbar immer weniger: Mit jedem Abbau einer Stelle eines Bauforschers im universitären Bereich und dem Wegfall praktischer Übungen und Seminare zur Bauforschung aus den Lehrplänen. Diese Kurse bildeten oftmals ein Bindeglied zu den Regionen, aus denen sich weitere Themen der Zusammenarbeit ergeben konnten. Die Hürden für den Abschluss von Kooperationsverträgen werden scheinbar immer größer und beschäftigen die Verwaltungen auf beiden Seiten über zu lange Zeiträume. Auch die Praktikanten werden weniger, da diese nur noch im Rahmen von Pflichtpraktika laut Studienordnung eingestellt werden können.Das Dilemma in den Ämtern ist auch, dass auf Grund der Stelleneinsparungen kaum noch junger Nachwuchs aus den Universitäten in die Ämter kommt. Damit fehlt der oft schnelle direkte Kontakt zu diesen Institutionen.
Zum Schluss
Die Bedeutung der Bauforschung für die tägliche Arbeit in der praktischen Denkmalpflege ist – eigentlich – unumstritten, kann doch die detaillierte Kenntnis über ein Denkmal meist auch zu einem bedachteren und behutsameren, oftmals auch einem kostengünstigeren und zeitlich planbareren Umgang mit diesem führen. Trotzdem ist der Einsatz der Bauforschung in der Denkmalpflege nicht selbstverständlich und mit knapper werdenden Personal- und Finanzressourcen immer weniger gesichert. Oftmals scheitert eine sinnvolle und frühzeitige Einbeziehung der Bauforschung auch immer noch am Vorurteil zu aufwendig und damit zu teuer und zeitintensiv zu sein, obwohl zahllose Projekte das Gegenteil lehren. Diese Überzeugungsarbeit über die Sinnhaftigkeit der Bauforschung am Einzelobjekt müssen die Bauforscher in den eigenen Ämtern immer wieder leisten. Was zudem nach wie vor viel zu kurz kommt, ist der Wissenstransfer, das Öffentlichmachen und Bereitstellen der Ergebnisse, auch über das Einzelobjekt hinaus, um immer und immer wieder die Bauforschung damit in das Bewusstsein aller an der Denkmalpflege Beteiligten zu rücken. Das schaffen die Bauforscher in den Landesämtern nicht allein, dazu ist ein Partnerfeld wichtig, um sich gegenseitig zu unterstützen und zu stärken.Anmerkungen
[1] Der Beitrag beruht auf einen Vortrag, der am 29. Mai 2014 auf der Hauptversammlung der Koldewey-Gesellschaft in Erfurt gehalten wurde.[2] G. Mörsch, Erforschung und Erhalten oder: die Wissenschaftlichkeit der Denkmalpflege, in: J. Cramer (Hg.), Bauforschung und Denkmalpflege. Umgang mit historischer Bausubstanz (Stuttgart 1987), 12-15, 12.
[3] Mörsch, a.a.O. (Anm. 2), 13.
[4] Arbeitsblätter der Vereinigung der Landesdenkmalpfleger Nr. 28, 30 und 40
[5] Die Angaben beruhen auf einen Fragebogen, der von den Mitgliedern der AG Bauforschung ausgefüllt wurde, um konkretere Angaben zur Struktur und Situation in den einzelnen Ländern zu bekommen und spiegeln weitgehend den Stand 2014/15 wieder.
[6] Bericht des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege 1937/38, in: Jahrbuch des bayerischen Heimatbundes (1938), 10.
[7] G. Mader, Bauforschung in der bayerischen Denkmalpflege, in: J. Cramer (Hg.), Bauforschung und Denkmalpflege. Umgang mit historischer Bausubstanz (Stuttgart 1987), 34-49, 34.
[8] G. Knopp, N. Nussbaum, U. Jacobs, Bauforschung. Dokumentation und Auswertung, Arbeitsheft der rheinischen Denkmalpflege, 43/1992, 28.
[9] A. Gebeßler: Landesdenkmalamt Baden-Württemberg. Nur noch ein Nachruf?, in: Kunstchronik, 1/2004, 1-4, 4.
[10] D. Davydov / E.-R. Hönes / T. Otten / B. Ringbeck, Denkmalschutzgesetz Nordrhein-Westfalen. Kommentar, Wiesbaden 2014, 304f.
[11] W. Eberl / D. Martin / J. Spennemann / M. Petzet: Bayerisches Denkmalschutzgesetz. Kommentar, Stuttgart 2016, Art. 12, 272.
[12] D. Martin, S. Mieth, J. Graf, V. Sautter, W. Franzmeyer-Werbe: Brandenburgisches Denkmalschutzgesetz. Kommentar, Wiesbaden 2008, 48.
[13] G. Hager / F. Hammer / D. Zimdars / D. Davydov / D. J. Martin: Denkmalrecht Baden-Württemberg. Kommentar, Wiesbaden 2011, 23.
[14] G. Mader, Angewandte Bauforschung als Planungshilfe bei der Denkmalinstandsetzung, in: Erfassen und Dokumentieren im Denkmalschutz, Schriftenreihe des Deutschen Nationalkomitees für Denkmalschutz, H. 16, Bonn 1982, 37-52.
[15] G. Mader a.O. (Anm. 7), 35.
[16] Im Rahmen des Fragebogens (Anm. 5) ermittelt, nach Abfrage, wie viele Bauforscher jeweils im Bundesland ansässig sind und für die Landesdenkmalpflege arbeiten.
[17] In Bayern gab es in den 1980/90er Jahren zwischen Gert Mader als Leiter der Bauforschung im dortigen Landesamt und Manfred Schuler als Professor für Bauforschung im Aufbaustudium Denkmalpflege an der Universität Bamberg eine sehr enge Kooperation bei der Ausbildung zukünftiger Bauforscher, die weit über Bayern hinaus Standards setzte. Vgl. dazu auch: M. Schuller: Denkmalpflege und Bauforschung: Die Bedeutung des Fachs Bauforschung für die Ausbildung des Denkmalpflegers – Erfahrungen und Perspektiven, in: A. Hubel (Hg.), Ausbildung und Lehre in der Denkmalpflege. Ein Handbuch. Veröffentlichungen des Arbeitskreises Theorie und Lehre der Denkmalpflege e.V., Bd. 11 (Petersberg 2001), 33-37, 34.
[18] Die Buchreihe „Südwestdeutsche Beiträge zur Bauforschung“ wird seit 1999 gemeinsam herausgegeben, die Datenbank ist seit 2006 online und unter
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